- München -
Das OLG München hat mit
Urteil vom 3.7.2008 (6 U 2759/07) den Handel mit "gebrauchten" Softwarelizenzen untersagt und ein Urteil der Vorinstanz (LG München I, Urteil vom 15.3.2007 - 7 O 7061/06) bestätigt. Überraschend war das Urteil nicht, da beide Gerichte bereits in den vorangegangenen Verfügungsverfahren zwischen dem Softwarehersteller Oracle und der Firma UsedSoft GmbH so entschieden hatten. Das Urteil des OLG München ist noch nicht rechtskräftig, da Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesgerichtshof eingelegt wurde.
Streitgegenstand ist ein Geschäftsmodell der Firma UsedSoft GmbH, die mit "gebrauchten" Softwarelizenzen handelt. Worum geht es? Oracle erteilt dem Ersterwerber und Nutzer der Software einfache Nutzungsrechte mit der Maßgabe, dass diese nicht weiter übertragen werden dürfen. Es findet nur ein Onlineerwerb statt, wobei der Nutzer das Recht erhält, die Software auf seinem Rechner downzuloaden. Die Übergabe einer CD ist dafür nicht erforderlich. Das Vertriebsmodell der UsedSoft GmbH sieht vor, dass sie ihren Kunden "gestattet", sich die Software von der Homepage des Herstellers herunterzuladen und auf dem eigenen Rechner, und sei es nur in den Arbeitsspeicher, zu laden. Eine CD-ROM wird von der UsedSoft GmbH dabei nicht geliefert.
Das Problem: Der Software-hersteller hat naturgemäß ein Interesse daran, dass seine Lizenz- und Preisstrukturen nicht durch den Handel mit Second-Hand-Softwarelizenzen unterlaufen werden. Andererseits besteht ein wirtschaftliches Bedürfnis, durch Arbeitsplatzabbau, Umstrukturierungen und Insolvenzen nicht benötigte Lizenzen weiter zu veräußern.
Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung steht die Frage, ob der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz, der nach dem Gesetzeswortlaut nur für körperliche Werkstücke gilt, auch für die Onlineübertragung anwendbar ist. Hierzu ein einfaches Beispiel: Wer eine Software im Laden kauft, erhält zumeist eine CD-ROM. Einmal verkauft, kann diese CD-ROM selbstverständlich weiterverkauft werden, ohne dass dafür die Zustimmung des Softwareherstellers notwendig ist. Das Recht an der CD-ROM ist "erschöpft". Nach einer Ansicht ist die Interessenlage identisch, wenn Softwarelizenzen online, also unverkörpert, übertragen werden. Es mache keinen Unterschied ob ein körperliches Werkstück wie eine CD-ROM übergeben oder ob die Software zwecks Download online zur Verfügung gestellt wird.
Daher wird teilweise eine analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf Onlineübertragungen befürwortet. Ferner ist streitig, ob eine analoge Anwendung nur zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts oder (auch) zu einer Erschöpfung des Vervielfältigungsrechts führt. Dies ist hier wesentlich, da für die Nutzung eines urheberrechtlichgeschützten Computerprogramms die Einräumung eines Verviel-fältigungsrechts notwendig ist. Denn jeder Download und jede Speicherung des Programms auf dem eigenen Rechner ist bereits eine Vervielfältigung des Programms, die grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers bedarf. Da der Softwarehersteller in dem Fall des OLG München in seinen AGBs dem Ersterwerber nur einfache Nutzungsrechte eingeräumt hatte, war zu entscheiden, ob ein Zweiterwerb möglich war oder ob sich der Zweiterwerber auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen konnte. Ein gutgläubiger Erwerb ist bei immateriellen Vermögensrechten jedenfalls nicht möglich.
Das OLG München hat einer analogen Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes eine klare Absage erteilt und sich in einem apodiktischen Urteil der Begründung der Vorinstanz angeschlossen. Das Landgericht München hatte bereits ausführlich in seinem Urteil vom 15.3.2007 begründet, dass für eine Analogie kein Raum ist, da der Gesetzgeber die Online-Übertragung kannte, aber bewusst keine Erschöpfung habe eintreten lassen wollen. Im Übrigen gelte der Erschöpfungsgrundsatz auch nur für eine Verbreitung und nicht - wie hier - für eine Vervielfältigung des Programms, was der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 4.5.2000 (I ZR 256/97 - Parfumflakon) entschieden hatte. Vielmehr könne der Hersteller auch durch Allgemeine Geschäftsbe-dingungen die Weiterübertragung der Softwarelizenz wirksam ausschließen und zwar dergestalt, dass nicht nur die Weiterübertragung unzulässig, sondern sogar rechtlich gar nicht möglich ist, also mit "dinglicher Wirkung".
Empfehlung für die Praxis: Das Urteil stärkt die Rechte der Softwareindustrie, bedeutet aber noch nicht notwendigerweise das "Aus" für den Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen. Denn das OLG München hat nur in einem - allerdings wichtigen - Einzelfall entschieden, der nicht sämtliche Vertriebsmodelle, die gegenwärtig im Markt anzutreffen sind, betrifft. So hat z. B. eine andere Zivilkammer des Landgerichts München I mit - rechtskräftigem - Urteil vom 28.11.2007 (30 O 8684/07) im Falle des Handels mit Microsoft-Lizenzen durch die UsedSoft GmbH entschieden, dass die Veräußerung einzelner Microsoft-Softwarelizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen abgegeben worden waren, auch ohne
Zustimmung von Microsoft im Grundsatz wirksam möglich ist.
Bei so genannten Volumenlizenzen wird vom Softwarehersteller dem Ersterwerber der Software eine Masterkopie auf CD-ROM übergeben, verbunden mit einer bestimmten Anzahl von Lizenzen. Eine Onlineübertragung fand dabei nicht statt. Zudem bleibt abzuwarten, ob und wie der BGH in dem
Fall des OLG München entscheiden wird. Da der Streit von der Fachwelt mit großem Interesse verfolgt wird ist nicht unwahrscheinlich, dass sich der BGH der Sache annimmt. Somit bleibt zunächst abzuwarten, ob sich das Geschäftsmodell des Handels mit "gebrauchten" Softwarelizenzen durchzusetzen vermag. Es ist aber auch denkbar, dass der EuGH das letzte Wort haben wird da die deutsche Vorschrift auf einer EU-Richtlinie beruht, über deren Auslegung im Zweifelsfall der EuGH zu befinden hat. Der Streit kann sich also noch eine Weile hinziehen.
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